Langsam gleitet er davon. Seine Augen, eben noch starr auf den Boden gerichtet, schließen sich langsam. Das hektische Treiben um ihn herum scheint in den leisen Klängen von Ludovico Einaudis zu gefrieren. Unzusammenhängende Gesprächsfetzen rücken in den Hintergrund. Ja, sogar das Gekreisch des verzogenen Görs, das sich auf den Boden wirft und wild um sich schlägt, weil es nur ein einziges Mal nicht so geht, wie es will, verschwindet langsam aber stetig. Der genervte Geschäftsmann, der heftig gestikulierend in sein Mobiltelefon brüllt… Die pöbelnden Teenager, die jedes Mal von Papa aus der Scheiße gezogen werden und noch niemals die Konsequenzen ihrer Taten spüren mussten… Das hysterische, falsche Lachen von ebenso falschen Schlangen… Der Betrunkene, der all jene als Kapitalistenschweine bezeichnet, die ihm kein Geld für Alkohol oder Kippen in die Hand drücken… All das gleitet davon. Nein, nicht sie sind es, die allmählich verschwinden. Er ist es. Er lässt sich in den sanften Wellen der Musik forttreiben.
Das Klavierspiel bildet eine Blase, die sanft über seinen Körper streicht, ihn mit sich trägt und in ferne Welten entführt. Jetzt ist er nicht mehr auf dem Bahnsteig. Nicht mehr inmitten einer Menschenmasse. Nicht mehr hier. Er befindet sich überall, wo er alleine ist. Vielleicht an einem selbst errichteten Campingplatzes, inmitten eines ansonsten verlassenen Waldes. Vielleicht sitzt er an einem Strand, die letzten Sonnenstrahlen des Tages im Gesicht und lauscht den Wellen. Vielleicht auf dem Dach eines Gebäudes, auf dem Rücken liegend und die Sterne betrachtend… Wenn er möchte, trägt in die Musik in eine andere Galaxie, auf einen fernen Planeten irgendwo am Rande des Universums. Alles… Hauptsache er ist fort. Und allein mit seinen Gedanken. Weiterlesen
Seelenmusik
29 Freitag Jan 2016